Wir brauchen eine eucharistische Spiritualität
Der Heute-bei-dir-Prozess, mit dem sich unser Bistum für die Zukunft wappnen will, geht nun in seine letzte Phase. Es werden neue pastorale Räume gebildet. Alles deutet darauf hin, dass unser neuer pastoraler Raum Gangelt und Selfkant sein wird. Ab 2024 wird es eine Übergangsphase geben, ab 2028 soll der neue pastorale Raum dann fertig eingerichtet sein und seinen Betrieb aufnehmen.
In diesem Zusammenhang kommen Gerüchte auf, was mit uns Priestern dann werden wird. Ich kann an dieser Stelle alle Gerüchte entkräften, denn es steht nichts fest. Wir warten also ab, was kommen wird. Eins ist aber sicher, ganz unabhängig vom Prozess der Umstrukturierungen: Es werden voraussichtlich in den nächsten Jahren weniger Priester sein, so dass auch weniger Messen gefeiert werden können. Ob das noch lange dauert oder schon bald der Fall sein wird, das liegt in Gottes Hand. Aber wir müssen uns zunächst auf ein Weniger einstellen, bevor es mit Gottes Hilfe dann wieder bergauf gehen wird mit der Kirche.
Manchmal kommt es vor, dass ein Priester kurzfristig ausfällt, z.B. wegen Krankheit. Es ist großartig, dass dann Laien einen Wortgottesdienst halten, damit der Gottesdienst nicht ganz ausfallen muss. Es ist auch schön, wenn in Gemeinden, Altenheimen oder Krankenhäusern Wortgottesdienste gefeiert werden für die Menschen, die nicht mobil sind, wobei es auch ein geistiges Nicht-mobil-Sein gibt. Es gibt Menschen, die könnten fahren oder mitgenommen werden, wollen es aber einfach nicht, weil sie geistig nicht so mobil sind. Aber wenn die Situation eintreffen wird, dass z.B. noch seltener als monatlich in einer Gemeinde die Eucharistie gefeiert werden kann, würde es Sinn machen, dann statt der Messe nur noch Wortgottesdienste zu feiern? Ich stelle mir z.B. vor, eine Gemeinde hätte nur noch zu Kirmes, zu Beerdigungen oder anderen besonderen Anlässen eine Messe. Sollte man dann das ganze Jahr nur an Wortgottesdiensten teilnehmen? Oder wäre es sinnvoller, dass man eine so hohe Wertschätzung für die Eucharistie entwickelt, dass man sich ins Auto setzt und z.B. fünf Kilometer zur Messe fährt, so wie man es beim Einkaufen auch macht? Wenn man sich die Mühe macht, die geistige Immobilität zu überwinden und zur Nachbarkirche zur Messe fährt, dann zeigt man, dass man die Eucharistiefeier wertschätzt. Sie ist das Wichtigste in unserem Glauben. Wenn die Messe nicht mehr ist, dann fehlt das Wichtigste. Und solange wir noch die Möglichkeit haben, mit dem Auto zur Messe zu fahren, sollte es uns das wert sein!
Ich war einmal in Trabzon in der Türkei in Urlaub. Dort wohnten drei Ordensschwestern in einem Kloster, aber es gab dort keinen Priester und daher keine Messe. Jeden Sonntag fuhren sie nach Ankara zur Messe, das sind 735 Kilometer auf Straßen, die längst nicht so gut sind wie bei uns. Sie fuhren in der Nacht los, um sonntags dort die Messe mitzufeiern, und dann fuhren sie in den Abend und in die Nacht hinein wieder zurück. Diese Schwestern hatten keinen Zweifel an der Wichtigkeit der Eucharistie. Für mich war das ein Vorbild.
Wenn wir beginnen, Opfer auf uns zu nehmen, um die Eucharistie zu feiern, dann ist das der Umschwung. Dann wird unser Glaube fester, dann wird unsere Kirche lebendiger. Und dann wird unsere Kirche auch attraktiver und wird Menschen anziehen, die den Glauben bisher nicht kannten oder vernachlässigt hatten.
Ich weiß, dass das noch Zukunftsmusik ist, aber wir können heute schon damit anfangen. Wir können beginnen, die Eucharistie mehr wertzuschätzen und Wege zur Messe auf uns nehmen. Unsere Kirche kann dadurch nur gewinnen. Dann schaffen wir den Umschwung.
Ihr Pastor Roland Bohnen